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Amerika!
Amerika... Die Horn
& Hardart Automats
Amerika...
...für viele der in
bescheidenen Verhältnissen lebenden Pfälzer Hartard war das im 19.
Jahrhundert nicht bloß ein geographischer Begriff; es war das
Versprechen einer besseren Zukunft. Der erste Auswanderer der
Familie scheint Stephen
(Stephan) Hartard (*1809) aus Freimersheim gewesen zu sein, der
sich schon 1846 in Allen (Ohio) mit Regina Heckel verheiratete.
Seine Söhne George
(*1850, verh. 1877 mit Elisabeth Steinke) und Stephen
(verh. 1883 mit Elisabeth Friestaller) setzten diese Linie fort. Aus
Kirrweiler zog es später Andreas
(Andrew) Hartard (*1861) in die Neue Welt: nachdem er 1883 in
Zweibrücken geheiratet hatte, verließ er mit seiner Frau Elisabeth
Donig noch im selben Jahr das Land, um über Antwerpen nach New York
zu emigrieren; seine Kinder Charles,
Elizabeth Frances, Jacob, Andrew,
Frederick, Grover, Pauline
Sophie und Wilhelmina
sind alle bereits in Brooklyn geboren. Jacob,
Gregory und Johnathan Hartard (Long Island) repräsentieren heute diesen Zweig
der Familie.
Zahlreich sind inzwischen die amerikanischen Hardardt
und Hardart, die dem Sondernheimer Ast angehören. Am
interessantesten ist darunter die Linie des Frank
A. Hardart, der 1858 mit seiner verwitweten Mutter, dem
älteren Bruder Philip und
zwei Schwestern nach New Orleans auswanderte. Frank war im Oktober
1850 als Franz Anton Hardardt in Sondernheim geboren worden. Über
seinen Vater Jakob Franz II. (1838 verh. mit Franziska Katharina
Mainzer), seinen Großvater Jakob Franz I. (*1781, verh. 1806 mit
Philippina Frisson) und seinen Urgroßvater Johann Georg (*1757/59
in Freimersheim,
verh. in Sondernheim mit Margaretha Stubenrauch) war er ein
Nachkomme (Ur-Ur-Enkel) des Freimersheimer Schultheißen Hans Heinrich Hartard (mehr).
 
Zwei
amerikanische Ikonen: Empire State Building und Horn & Hardart
Automat

Die
Horn & Hardart Automats
Für Frank
Hardart ist an der
Wende zum 20. Jahrhundert der so oft geträumte ‚amerikanische
Traum‘ Wirklichkeit geworden: denn seine Geschichte ist buchstäblich
die des Aufstiegs vom Tellerwäscher zum Millionär.
Sie beginnt im
Jahr 1888 mit einer Zeitungsannonce: Joseph Horn, ein junger Mann
aus wohlhabender Familie, der sein Glück in der Gastronomie
versuchen will, benötigt einen erfahrenen Kompagnon, um in
Philadelphia ein Restaurant zu eröffnen. Für Frank Hardart, der
kurz zuvor nach Philadelphia gezogen ist und sich mit Aushilfstätigkeiten
in einem Café über Wasser hält, klingt das Angebot verlockend;
und so geht, glaubt man der Legende, bei Joseph Horn wenig später
eine seltsame Antwort ein: ein Zettel, der aus einer Zuckertüte
herausgerissen und mit den dürren Worten beschrieben ist: „I’m
your man.“ Die beiden Partner eröffnen noch im Winter desselben
Jahres ihr erstes kleines Lokal mit 15 Sitzplätzen. Aus diesen
bescheidenen Anfängen entwickelt sich eine der frühesten und in
ihrer Zeit größten amerikanischen Restaurantketten.
 
Frank
Hardart und Joseph Horn

Der erste Automat in Philadelphia, 818-820 Chestnut Street. Das Gebäude existiert noch.

Das erste
Markenzeichen des jungen Unternehmens war der von Frank Hardart aus
New Orleans importierte, im Nordosten noch wenig bekannte
Filterkaffee. Das Restaurant florierte und verfügte bald über
mehrere Filialen, die – auch das eine neue Geschäftsidee – ihre
Speisen vorgefertigt aus einer Zentralküche bezogen. So etablierte
sich das, was man heute ‚Systemgastronomie‘ nennen würde: die
Gerichte waren in allen Lokalen standardisiert, die Portionen stets
gleich groß, der Geschmack verlässlich derselbe, und die Preise
blieben moderat.
Den eigentlichen Durchbruch brachte aber der Sommer
1902, als Horn & Hardart in Philadelphia ihren ersten
‚Automaten‘ eröffneten: ein Restaurant ohne Kellner, in dem
sich die Kunden aus gläsernen, von der Rückseite her befüllten
und gegen Münzeinwurf sich öffnenden Fächern selbst bedienen
konnten. Frank Hardart hatte dieses Verkaufskonzept auf einer Reise
nach Deutschland in Berlin kennengelernt und begeistert nach Amerika
gebracht. Und: es ging auf. Die Gäste waren fasziniert von den
H&H Automats, in denen sich die Effizienz moderner Technik mit
einem vornehmen Interieur aus Holzornamentik und schimmerndem
Messing verband. Auch hier setzte man übrigens auf Einheitlichkeit:
eigene Hausarchitekten sorgten dafür, dass die Lokale ein prägnant-typisches
Erscheinungsbild im Stil des Art Déco erhielten – eine frühe
Form dessen, was als ‚Corporate Identity‘ inzwischen zum kleinen
Einmaleins der Betriebswirtschaft zählt.
1912 expandierten
Horn & Hardart nach New York, mit einem Automaten an der Ecke
Broadway / Times Square; zahlreiche Filialen folgten, dazu
konventionelle Cafeterias und, seit 1924, eigene Shops, die unter
dem Slogan „Less Work for Mother“ H&H-Fertiggerichte
verkauften.
 

Art-Déco-Details
der ersten Horn & Hardart Automats ^



Der
Times-Square-Automat auf zeitgenössischen Photographien und Postkarten
^


Der
Automat 104 West 57th Street, New York, erbaut 1938, inzwischen
abgerissen ^

Die innovativen Ideen des Unternehmens trafen den Nerv
der Zeit; sie reagierten auf veränderte Lebens-, Arbeits- und
Konsumgewohnheiten vor allem einer breiten Schicht mittlerer und
kleiner Angestellter, Arbeiter und berufstätiger Frauen, die sich
in knappen Pausen auswärts verpflegen mussten oder wenig Zeit für
eine aufwendige Verköstigung ihrer Familien aufbringen konnten und
deshalb ein preiswertes, schnell zubereitetes und unprätentiös
dargebotenes Essen zu schätzen wussten. Gleichzeitig wurden die
H&H Automats aber auch schnell zu einer populären Institution
des amerikanischen way of life: ob nun in Songs von Marilyn Monroe
(„A kiss may be grand but it won't pay the rental / On your humble
flat, or help you at the automat“, heißt es in „Diamonds Are A
Girl’s Best Friend“), ob in Edward Hoppers melancholischem Gemälde
„Automat“ (1927) oder als Szenenschauplatz zahlreicher Filme der
1930er- bis 1950er-Jahre.
 
Edward Hopper: Automat, 1922 mehr
Informationen zum Bild: Wikipedia
| Mahagoni
Magazin | Blogspot

Sylvester
und Tweety im Automat (aus Tree Cornered Tweety, 1956
| YouTube-Link)

Frank Hardart
starb im Dezember 1918. Er war bis zuletzt, selbst nach seiner Wahl
in den Stadtrat Philadelphias, als Partner Horns aktiv gewesen, der
die Geschäfte nun zunächst allein, seit 1923 gemeinsam mit dem
Bankier
Edwin K. Daly weiterführte. Als 1941 auch Joseph Horn verstarb, gehörten
zur Horn&Hardart-Gruppe etwa 160 Restaurants mit 10.000
Mitarbeitern im Großraum New York und Philadelphia. Die große Zeit
des Unternehmens aber war vorbei. Vor allem ab den 1960er-Jahren
bekam es die Konkurrenz der zweiten Generation von
Schnellrestaurants zu spüren: Hamburger und Pommes frites
schmeckten plötzlich besser als die gebackenen Bohnen aus dem
Automat, McDonald’s und Burger King begannen, nun im globalen
Stil, den Markt zu beherrschen. H&H behaupteten sich noch eine
Weile als Franchisenehmer verschiedener Fast-Food-Ketten, gingen
mehrmals bankrott, schlossen 1991 das letzte Automatenlokal in New
York und konzentrierten sich zunehmend auf andere Wirtschaftszweige.
In den 1970er-Jahren hatte die Gesellschaft das Versandhandelshaus
Hanover Direct erworben, das heute zu den führenden amerikanischen
Katalog- und Onlineanbietern gehört. Seit 1993 firmieren Horn &
Hardart ausschließlich unter dem Namen des einstigen
Tochterunternehmens.
 
Die
Lichter gehen aus: 1991 schließt die letzte Filiale der H & H
Automats; das Haus am Times Square war zu dieser Zeit schon längst
Geschichte.

Was bleibt – das sind die verblassenden
Erinnerungen an eine amerikanische Ikone und ihre Väter, Joseph
Horn und Frank Hardart, die das US-amerikanische Wirtschaftsmagazin
BusinessWeek im Jahr 2007 als „Erfinder des Fast Food“ unter die
30 wichtigsten Unternehmer aller Zeiten wählte. Was bleibt, ist
auch das Innenleben des ersten H&H-Automaten, das in den
Washingtoner Sammlungen der Smithsonian Institution zu besichtigen
ist. Und schließlich bleibt noch ein wunderliches Musikinstrument,
das den Namen unserer Familie trägt: das ‚Hardart‘, ein
Automat, aus dem der Musiker je nach Bedarf verschiedene klang- und
geräuscherzeugende Utensilien entnimmt. Der Komponist Peter Schickele (alias P. D. Q. Bach)
konstruierte es eigens für sein satirisches ‚Konzert für Horn
und Hardart‘, an dessen Schluss – wie passend – ein Luftballon
mit lautem Knall zerplatzt.
Die Nachkommen
Frank Hardarts leben noch in New York. Es sind dies die Kinder von Frank
III. Hardart (1915-2000), Ritter des Malteser- und des
Hl.-Grabes-Ordens, und seiner Frau Frances O’Connor, bis 2007
Hospitalierin der Amerikanischen Assoziation des Malteserordens, nämlich:
Frank IV. (Unternehmer), George
Edward (Medizinprofessor), Richard
(Medizinprofessor), Marie
Therese, Christopher (Footballmanager) und Michael (Schauspieler); ferner die Kinder von Thomas Hardart (1918-1988), zwischen 1967 und 1972 Präsident der
Horn & Hardart Co., und Rosemary Dunne, nämlich: Thomas (ehem. Vice President von AOL), Paul (ehem. Vice President von Universal Pictures), heute beide
Filmproduzenten, Mary Madeline,
Rosemary, Marcella und Anne
(Medizinprofessorin); schließlich die Töchter von Robert
Joseph Hardart (1921-2001) und Jean Claire Kramer: Patricia
und Mary Ellen, sowie die Kinder von Augustin
Stephen II Hardart (1922-1996) und Nancy Carr: Augustin Stephen III (Manager) und Marianne (Medizinerin).

Filmszenen aus dem Automat (Mark Byrnes: Remember the Automat. The Atlantic
Cities, Juni 2012)
Informationen zur Unternehmensgeschichte v. a. ab den 1970er-Jahren
 Der
Artikel zur Familiengeschichte als PDF-Dokument:


Literatur:
Lorraine B. Diehl/Marianne Hardart: The Automat. The
History, Recipes, and Allure of Horn & Hardart's Masterpiece.
New York 2002 Carolyn Hughes Crowley: Meet Me at the Automat. Smithsonian Magazine, August 2001
| Link
Christopher Klein: The Automat: Birth of a Fast Food Nation. History.com, Juli
2012 | Link
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